Impressionen Workshop Herbstadt Juni 2014

      @ Reda: :thumbsup:

      "Ständig stellt sich mir die Frage: Wie hast Du Deine Welt als Kind erlebt? Wie war es Dir möglich, Dich auf das Leben einzulassen, so wie Du es uns beschreibst?"

      Liebe Kerstin,

      Deine erste Frage kann ich gut beantworten: Dank meiner Grossmutter und Mutter war meine Kindheit bis zum 11./12. Lebensjahr eine kreative Bombe. Die zweite ist eine sehr schwierige Frage. -Eigentlich habe ich dort keine konkrete Antwort weil ich schlichtweg am üben bin mich in dieser GROSSEN Realität zu bewegen. Es ist wie man plötzlich auf einem grossen Schiff steht und merkt dass man das Steuer eigentlich selbst in der Hand hat. Da gibt es sonst niemanden der ZUVERLÄSSIG und KOMPETENT sagt wohin…….und man spürt eine grosse Verantwortung das Schiff so zu steuern dass man anderen und sich selbst nicht nur nicht schadet, sondern auch so, dass die anderen auch inspiriert werden das EIGENE Steuer selbst in die Hand zu nehmen. Es ist irgendwie das genaue Gegenteil eines "stolzen" Kapitäns der Bewunderer um sich schart und dann daraus den eigenen Vorteil zieht, oder ein "depressiver" Kapitän der sich ängstlich nach jemandem umsieht der das Steuer übernimmt. Darüber könnte man ein Buch schreiben.

      So leben ist nicht einfach, und ich bin dort ein Lehrling. Nicht dominieren zu wollen. Keine Unterwerfung zulassen. All das braucht sehr viel Mut und positives, informiertes Denken und Fühlen. Es ist eben diese Unbeirrbarkeit von der wir beim Workshop gesprochen haben. Immer wieder können wir uns verleiten lassen unser eigenes Steuer jemand anders zu übergeben, oder es demonstrativ stolz zur Schau zu stellen.

      Die Kreativität die sich unter anderem in Farbe und Pinsel manifestieren kann, ist oft ein wunderbares Heilmittel für Menschen die sich selbst nicht mehr genug spüren. Schlimm ist es wenn jemandem das Steuer gewaltsam aus den Händen gerissen wurde. Missbrauchte Menschen können in der Kunst Trost und Heilung finden. -Mein andauerndes Experiment ist es zu sehen ob dieser Heilungsprozess auch in der akademischen, "realistischen" Kunst möglich ist. Es ist keine Frage dass Kunst Therapie funktioniert. Aber funktioniert es auch wenn der Wunsch nach gekonntem Handwerk hinzugefügt wird? Meine Erfahrungen zeigen mir dass es unter günstigen Umständen nicht nur möglich ist, sondern eine ganze Welt des Erfüllt Seins auslösen kann. Diese "günstigen Umstände" bestehen zum grossen Teil darin, dass das Streben nach Dominanz und Unterwerfung transzendental überwunden wird; nämlich durch Empathie und Toleranz ersetzt wird. Wenn das einer Gruppe von Menschen gelingt resultiert unter Ihnen Harmonie. Harmonie heisst nicht die Absenz von Konfrontation. Aber hier dienen die Konfrontationen dazu dass alle Teile wachsen können. Es geht hier nicht darum dass jemand "recht haben muss", oder jemand "falsch liegt". Wenn jemand recht haben MUSS, ist die Qualität (sofern sie resultiert), nur ein Nebenprodukt. Wenn Menschen zusammen durch Konfrontationen schreiten geht es ausschliesslich um Qualität. Deshalb vermute ich dass der Wettkampf langfristig einen schrecklichen Verlust an Qualität zur Folge hat. -Einfach weil jedes mal ein Stück von dem verloren geht was hätte sein können.

      Irgendwie und irgendwo wurden wir alle irgendwann mindestens emotional missbraucht. Es scheint ein unvermeidbarer Teil des Lebens zu sein. Wir haben die Möglichkeit aufzustehen, und unser Steuer fest in die Hand zu nehmen, als Erwachsener Mensch. Im kreativen Prozess ist das Primär. Nichts ist wichtiger und mehr effektiv als diese Handlung. Vielleicht ist das eine gute Definition fürs erwachsen sein- eine Alternative zur blinden gesellschaftlichen wirtschaftlichen Anpassung die oft die Brücke von Kindheit und Erwachsen Sein vermeintlich darstellt. Die Kinder sollten vor Dingen die ihrem Wachstum schaden anrichten beschützt werden- keine Frage. Sie können ihr Schiff noch nicht so steuern dass es keine fatalen Kollisionen gibt. Das mindeste das eine Gesellschaft tun sollte ist unsere kleinen schützen. -Auch vor unserer eigenen Eitelkeit und Unsicherheit als vermeintliche Erwachsene. Was ist es- das mindeste das wir als Menschen tun können? Unsere kleinen schützen und ihr Wachstum pflegen indem wir versuchen erwachsen und voll Lebendigkeit zu werden. Ich denke dass die Kreativität die in uns allen mehr oder weniger präsent ist der Schlüssel zu unserer eigenen Kindheit ist. Die daraus erfolgende Empathie mit Kindern kann den erwachsenen Menschen dann befähigen vor Missbrauch zurückzuschrecken und ihn zu verhindern.

      Ales fängt an wenn wir klein sind. Von Anfang bis zum Ende haben wir nichts als Wahrnehmung. Wir glauben zu wissen, aber wir nehmen nur wahr. Und wenn wir das endlich zugeben merken wir wie unsinnig es ist sich über die Realität zu streiten. Alle lebendigen Wesen sind frei. Sie werden immer ihre eigene Wahrnehmung besitzen. Es ist wohl der einzige tatsächliche Besitz den ein Mensch haben kann. Alles steht oder fällt mit der Qualität der individuellen Wahrnehmung, und wie kann diese Qualität sich in einem Vakuum entwickeln? Sie kann es nicht.

      Ich weiss nichts. Aber. Ich, als Künstler, als Mensch, als Individuum, kommuniziere meine ganz persönliche Wahrnehmung. In meinen Worten, meinen Taten, meiner Kunst. Ich führe das weiter was ein Höhlenbewohner vor ca. 17'000 Jahren in Lascaux getan hat. Wir alle tun das. In uns wächst dieses Bedürfnis wenn wir es wollen: Dass wir unsere ureigensten Wahrnehmungen und Bedürfnisse mit anderen Lebewesen teilen. Dazu braucht es keine Farbe und Pinsel, aber haben wir ein Schwein das es das gibt! :friends:
      Guten Abend an alle und vor allem Dir Patrick.

      Ich habe Deine Texte gelesen und sacken lassen und wieder gelesen und sacken lassen ...und habe festgestellt, dass sie fast an die Grenzen meiner Vorstellungskraft gehen.
      Obwohl ich denke, alles verstanden zu haben, was Du mir/uns damit sagen willst, so fällt es mir NICHT leicht, auch nur annähernd gleichgut darauf zu antworten.
      Du hast so ausführlich geschrieben, weil ich Dir gezielt diese Fragen gestellt habe. Ich danke Dir außerordentlich dafür!!!! Es haut mich fast vom Sockel, wie treffend und einleuchtend Du mit diesen Themen umgehst. Deine Argumente sind so grundlegend für das Wachstum eines Lebewesens. Eigentlich sollte dieses Wissen jeder mit der Muttermilch aufnehmen können.

      Ja.... ich will wissen, wie man es schafft, der Kapitän seines eigenen Lebens zu werden.
      Einfach nur machen? Klingt einfach... aber wie?

      Ich weiß, mit jeder neuen Frage, forde ich Dich auf, neu darauf zu reagieren. Das möchte ich aber nicht zwingend. Deine Zeit ist zu kostbar!!!
      Ich zehre schon genug von dem Austausch der hier stattfindet.

      Ich möchte nur eins:
      Meine Fähigkeiten bezüglich der Malerei verfeinern und weiterentwickeln, damit ich irgendwann einmal meine Bilder als mein Sprachrohr nutzen kann.
      Und dadurch lerne, alte Muster über Bord zu werfen, um endlich meine Meere bereisen zu können.

      AMEN... :friends:
      Ich entscheide mich ganz frei meine Zeit für diesen Austausch einzusetzen. :yes:

      Und danke für Deine Offenheit, Ehrlichkeit und Deine kostbare Zeit die Du mit uns teilst. Der Wind weht doch schon sporadisch durch Deine Segel und die Kapitän Mütze sitzt attraktiv/ spontan schief auf Deinem Haupt. Du schaust in die Ferne und siehst den Zipfel Deines bevorstehenden Abenteuers: Zuversicht. Hoffnung. :)

      Und Du siehst viele andere Schiffe. Es gibt viel zu tun.

      Danke fürs lesen. Es bedeutet mir sehr viel dass meine Gedanken bei der Kapitänin eines kostbaren ( wahrscheinlich handgeschnitzt ) Segelschiffs etwas positives auslösen.